Sind Dienstbeschreibungen in Ihrer aktuellen Form noch zeitgemäß?
Die einschlägigen Bestimmungen im RStDG betreffend Dienstbeschreibungen führen in unregelmässigen Abständen immer wieder zu Diskussionen über deren Aussagekraft. Verbesserungspotential wird je nach Standpunkt erkannt bzw im Gegenzug gleich wieder verworfen. In diesen Diskussionen kristallisieren sich immer wieder unterschiedliche Sichtweisen von ordentlicher Gerichtsbarkeit und Verwaltungsgerichtsbarkeit heraus. Dies beruht auf mehreren Gründen. Der ua angedachten Idee, in regelmäßigen Abständen und nicht nur aus bestimmten Anlässen Beschreibungen durchzuführen, kann aus Sicht eines Mitglieds des Personalsenates eines Bundesverwaltungsgerichts schon allein aufgrund der Größe dieser Gerichte nicht viel abgewonnen werden: An den zwei Verwaltungsgerichten des Bundes sind jeweils ca 200 RichterInnen tätig. Der zeitliche Aufwand für deren regelmäßige Dienstbeschreibung, neben den verschiedenen Pflichtbeschreibungen und der aufgrund der Altersstruktur in immer kürzeren Zeiträumen notwendigen Erstellung von Besetzungsvorschlägen, lässt einen vollständigen Ausfall der Personalsenatsmitglieder für die Rechtsprechung befürchten. Der Mehraufwand für die Personalsenate steht mE in keinem Verhältnis zum überschaubaren Nutzen. Die Mehrzahl der RichterInnen, die ohnehin ausgezeichnete Arbeit leisten, kann in anderer Form Wertschätzung erfahren als mit einer notgedrungen standardisierten Dienstbeschreibung. Alle anderen können bereits auf Grundlage der geltenden Rechtslage jederzeit neu beschrieben werden (§ 51 Abs 3 RStDG). Dazu braucht es insbesondere aussagekräftige Controllingdaten, die die Grundlage für entsprechende Anträge bilden.
Inwieweit es zweckmäßig bzw aus Sicht der Standesvertretung erstrebenswert erscheint, diese Dienstaufsichtsfunktionen bei den Personalsenaten auszuweiten, wird in der laufenden Diskussion zu klären sein. In Bewerbungsverfahren ist vor allem eine aktuelle Dienstbeschreibung aussagekräftig. Neben der Größe der Verwaltungsgerichte des Bundes, die seriöse, regelmäßige Beschreibungen nicht realistisch erscheinen lassen, sind Dienstbeschreibungen für VerwaltungsrichterInnen – im Gegensatz zu RichterInnen der ordentlichen Gerichtsbarkeit – für die weitere Karriere jedoch im Normalfall nicht relevant. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Aussagekraft nicht auch auf andere Art erreicht werden kann. ME wäre eine entsprechende Erweiterung der bestehenden Antragsrechte (§ 51 Abs 3 und 4 RStDG) zweckmäßiger und ökonomischer. Einigkeit besteht jedoch über Verbesserungspotential betreffend das Verfahren bei Dienstbeschreibungen. Gegen eine Gesamtbeurteilung kann nach der geltenden Rechtslage Beschwerde an den Personalsenat des übergeordneten Gerichts erhoben werden (§ 55 Abs 3 RStDG). Für das BFG und das BVwG kommt eine Beschwerde an den Personalsenat des übergeordneten Gerichts nicht in Betracht, da zum einen beim VwGH kein Personalsenat eingerichtet ist und zum anderen der VwGH gerichtsorganisatorisch nicht übergeordnet ist (Fellner/Nogratnig, RStDG, GOG und StAG I5 [2021] § 55 Rz 9). Der VwGH hat in nächster Zeit die Gelegenheit, dazu seine eigene Rechtsansicht darzulegen. Gegen eine Gesamtbeurteilung des Personalsenates des BFG ist nämlich eine solche Beschwerde sowie eine Revision beim VwGH anhängig. In derselben Sache hat der VfGH bereits die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt und die Sache an den VwGH abgetreten. In seinem Ablehnungsbeschluss führt der VfGH ua aus, dass gegen in Ausübung der kollegialen Justizverwaltung erlassene Beschlüsse und Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte mittels Revision an den VwGH (oder mittels Beschwerde an den VfGH) vorgegangen werden könne. Im Übrigen fordere weder Art 6 Abs 1 noch eine andere Bestimmung der EMRK die Einrichtung von mehrstufigen Verfahren. Es liege bereits auf Grund der unterschiedlichen dienstrechtlichen Stellung keine Verletzung im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz vor, da sich Richter von Beamten durch ihre persönliche und sachliche Unabhängigkeit unterscheiden. Auch wenn demnach eine ordentliche Beschwerdemöglichkeit für ein faires Verfahren iSd EMRK nicht erforderlich ist, ist dennoch die Schaffung einer solchen zu fordern. Wenn der VwGH allerdings die anhängige Beschwerde als solche annehmen sollte, wäre eine solche Beschwerdemöglichkeit ohnehin bereits gegeben. Jedenfalls wünschenswert ist mE eine konkrete Ausgestaltung des einschlägigen Verfahrens im RStDG sowie ein angemessener Zeitrahmen für die Erstellung von Dienstbeschreibungen, der deutlich über dem aktuellen Beschreibungsquartal (§ 51 Abs 1 RStDG: im ersten Viertel des Kalenderjahres) liegen sollte.
Dienstbeschreibungen als Feedback: Für die Einführung eines institutionalisierten Feedbacks ist mE die Dienstbeschreibung nicht das geeignete Instrument. Der Personalsenat würde die Rolle eines Personalentwicklers (zB Potentialanalysen) einnehmen und weitgehende Dienstaufsichtsaufgaben (zB. Handlungsempfehlungen) übernehmen müssen. Für professionelle Personalentwicklung sind die Mitglieder des Personalsenates weder ausgebildet, noch verfügen sie über die erforderlichen Ressourcen. Feedbacks, Potentialanalysen, Handlungsempfehlungen etc sind auch auf Grundlage der geltenden Gesetzeslage durch die monokratische Justizverwaltung möglich. Vielleicht sollte davon einfach mehr Gebrauch gemacht werden.
Die Thematik „Dienstbeschreibungen“ betrifft alle RichterInnen unmittelbar. Es wird daher notwendig und zweckmäßig sein, die Diskussion auf eine möglichst breite Basis zu stellen. Deshalb wird die Standesvertretung in den nächsten Wochen eine Mitgliederbefragung durchführen, um ein authentisches Meinungsbild zu finden. Zum Schluss möchte ich noch auf die immer noch aktuelle Diskussion zum Bericht des Rechnungshofes vom Jänner 2021 betreffend das Bundesfinanzgericht kurz eingehen. „Eines der größten Probleme des Bundesfinanzgerichts ist die extrem lange Dauer der Rechtsmittelverfahren“, wie in einem Debattenbeitrag zum RH-Bericht in der Nationalratssitzung am 22.9.2021 festgestellt wird. Als Hauptursachen werden Personalprobleme und mangelhafte IT-Unterstützung benannt. So sei trotz großer Aktenrückstände die Anzahl des richterlichen Personals rückläufig. Im Vergleich mit anderen Gerichten, insbesondere dem Bundesverwaltungsgericht, gebe es einen signifikanten Unterschied im Verhältnis von Verwaltungspersonal zu richterlichem Personal, sodass umfangreiche administrative Tätigkeiten von den RichterInnen selbst zu verrichten seien.
Diese zutreffende Analyse ist allerdings weder neu noch überraschend. Auf diese Problemlage wurde nicht nur an dieser Stelle bereits mehrfach hingewiesen (vgl zB RZ 3/2020, Editorial), sondern es wurden seit Jahren auch alle fachlich zuständigen und politischen EntscheidungsträgerInnen bei vielen Gelegenheiten von StandesvertreterInnen darauf aufmerksam gemacht. Das Ergebnis war enttäuschend, ebenso wie der Umstand, dass über geplante Maßnahmen (zB Schulungen für MitarbeiterInnen und Auswertungsmöglichkeiten zu Steuerungszwecken) nicht informiert wird, sondern diese einzig durch das Studium der stenographischen Protokolle der angeführten Nationalratssitzung zur Kenntnis gelangen.
Elisabeth Brunner
RZ 2021 | Österreichische Richterzeitung