Test bestanden!
"Homeoffice“ für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auch nach der Corona-Krise
Die aktuelle Corona-Krise (COVID-19) hat alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens auf eine Weise verändert, wie man es sich noch vor Kurzem nicht hätte träumen lassen. Diese Herausforderungen haben auch vor der gesamten Justiz und damit auch vor den Staatsanwaltschaften nicht Halt gemacht. Mit Erlassung der „Ausgangsbeschränkungen“ galt es, den gesamten Dienstbetrieb grundlegend umzustellen. „Social distancing“ lautet aktuell und wohl auch künftig die Parole. Doch wie lässt sich das bei gleichzeitiger Sicherung eines geordneten Dienstbetriebs im staatsanwaltschaftlichen Bereich sinnvoll umsetzen, ohne zugleich die Strafverfolgung zum Erliegen zu bringen?
Die Antwort lautet: Überraschenderweise erstaunlich gut bzw doch deutlich besser, als manche befürchtet hätten. Doch woran liegt das?
Dafür gibt es mehrere Gründe. Maßgeblich und ganz entscheidend waren bzw sind sicher die Motivation, Flexibilität und Innovationsbereitschaft der Justizbediensteten, die Krise bestmöglich zu bewältigen, und auch die Bemühungen des Justizministeriums, der Dienstbehörden und -stellen im Rahmen der Justizverwaltung sowie der Standesvertretungen. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte haben mit großem Engagement auch im „Homeoffice“ ihre Aufgaben bestmöglich erfüllt. Dass dabei der enorme Zeitdruck und die hohe Zahl der regelungsbedürftigen Bereiche für alle Betroffenen einen wahrlichen Kraftakt bedeutete, liegt auf der Hand. Und dass auch aktuell noch vieles im Fluss ist und ein ständiges Nachjustieren an neue Entwicklungen erfordert, ist ebenso klar.
Es sind aber auch andere (in Normalzeiten eher verborgene) Umstände, die für das Funktionieren der Staatsanwaltschaften auch und gerade in Krisenzeiten sprechen: Nämlich die Tatsache, dass staatsanwaltschaftliche Tätigkeit in manchen Bereichen räumlichen „Nah-Kontakt“ zu Verfahrensbeteiligten im weiteren Sinn gar nicht erfordert und die Staatsanwaltschaften durch die zunehmende Digitalisierung in der Aktenbearbeitung (iTOP@StA) und ihre fortschreitende (noch nicht abgeschlossene) Ausstattung mit fernzugriffstauglichen Notebooks fortlaufend besser für disloziertes Arbeiten gerüstet sind. Ein glücklicher Umstand, der aktuell großflächiges „social distancing“ im Bereich der Staatsanwaltschaften gerade erst ermöglicht.
Diese Möglichkeit, disloziert zu arbeiten („Homeoffice“), sollte – sofern mit dem Dienstbetrieb vereinbar – den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten aber auch nach der Corona-Krise offenstehen.
Dass dies nicht für alle Bereiche gilt, ist klar. Selbstverständlich werden auch während der Krise und danach wieder in gewohnter Weise Verhandlungen, Vernehmungen und Besprechungen durchgeführt (werden), die eine körperliche Anwesenheit zwingend erfordern. Und natürlich soll es (hoffentlich bald wieder in gewohnter Weise) den auch innerhalb der Dienststelle wichtigen persönlichen sozialen Austausch geben.
Aber ist es wirklich unverändert notwendig, auch künftig jegliche Aktenbearbeitung – sei es im Ermittlungs- oder etwa im Rechtsmittelverfahren – immer zwingend im Amtsraum erledigen zu müssen? Muss es dafür immer notwendig sein, teils beträchtliche Arbeitswege zurückzulegen? Oder könnte man diese (vermeidbare) Reisezeit nicht effektiver verwenden, etwa für die Aktenbearbeitung? Es sollte der Justiz nichts Schlimmeres passieren, als dass dadurch insgesamt die Arbeitskraft einiger StA-Planstellen freigespielt wird und damit eine weitere Verfahrensbeschleunigung erzielt werden könnte. Gewährleistet tatsächlich immer nur der Amtsraum beste Voraussetzungen für konzentriertes und ungestörtes Arbeiten? Oder ist das vielleicht auch im „Homeoffice“ (unter bestimmten Voraussetzungen wie insbesondere geordnetem Kindergarten- und Schulbetrieb) – teils vielleicht sogar besser – möglich? Und sollte nicht auch die Justiz – schon aus Rekrutierungsgesichtspunkten – bestrebt sein, im harten Wettbewerb mit der Privatwirtschaft um die besten Juristinnen und Juristen auch in diesem Bereich attraktive Arbeitsbedingungen anzubieten? Wäre das nicht auch ein weiterer wichtiger Schritt, um der vielfach geforderten Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch in der Justiz noch besser gerecht zu werden?
Eine Beschränkung des elektronischen Aktes bloß auf die Dienststelle würde alle diese Verbesserungsmöglichkeiten unnötig brach liegen lassen.
Den Lackmus-Test für die Möglichkeit des „Homeoffice“ für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte brachte die Corona-Krise. Und die Kolleginnen und Kollegen haben ihn bestanden. „Homeoffice“ hat maßgeblich zum Funktionieren der Staatsanwaltschaften auch in Krisenzeiten beigetragen. Was aber in Krisenzeiten funktioniert und im Übrigen auch von der Regierungsspitze empfohlen sowie von den Staatsanwältinnen und Staatsanwälten mit großem Engagement und Innovationskraft umgesetzt wird, sollte in Normalzeiten nicht unreflektiert ad acta gelegt werden.
Auch die spekulative Befürchtung, im „Homeoffice“ werde nur „Däumchen gedreht“, überzeugt nicht. Denn die Arbeitslast der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ist (im „Homeoffice“ gleich wie unmittelbar an der Dienststelle) durch den Aktenanfall und selbstverständlich nicht durch bloß körperliche Anwesenheit definiert. Ist (evidenzbasiert durch das Register) eine gleichbleibend qualitätsvolle und rasche Erledigung auch im „Homeoffice“ gewährleistet, spricht nichts gegen dessen Beibehaltung auch im Regelbetrieb.
Nur zur Klarstellung: Dies ist kein Plädoyer für ausschließliches „Homeoffice“ und gänzliche physische Absenz von der Dienststelle. Selbstverständlich sollen und müssen Staatsanwältinnen und Staatsanwälte auch künftig physisch an ihren Dienststellen anwesend sein, wenn dies dienstlich erforderlich und zweckmäßig ist. Viele werden (abhängig von ihren persönlichen Verhältnissen) „Homeoffice“ wohl auch gar nicht beanspruchen. Nicht wenigen anderen wird die Möglichkeit, teilweise auch im „Homeoffice“ arbeiten zu können, ihre individuelle Arbeitssituation jedoch deutlich erleichtern. Physische Präsenz an der Dienststelle, die im Übrigen mit persönlicher Erreichbarkeit bei den aktuell vorhandenen Kommunikationsmitteln überhaupt nichts zu tun hat, sollte somit künftig – wo dies der Dienstbetrieb zulässt – um die (natürlich nicht verpflichtende) Möglichkeit des „Homeoffice“ ergänzt werden.
„Homeoffice“ nützen zu können, war und ist nicht nur in der Krise ein Gebot der Stunde. Spätestens mit der Einführung des elektronischen Aktes bei den Staatsanwaltschaften, der erst verbunden mit „Homeoffice“ alle seine Vorteile des dislozierten Arbeitens ausschöpfen kann, sollte diese Möglichkeit auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälten offen stehen.
Martin Ulrich
RZ 2020 | Österreichische Richterzeitung