Gemeinsam die Zukunft gestalten
Von 17.-19. April 2023 fand in Pörtschach am Wörthersee das “Forum Zukunft Justiz“ statt. Wie in der Vergangenheit war es erklärtes Ziel des Forums, von einer möglichst breiten Mehrheit der Richter:innenschaft mitgetragene Antworten auf anstehende Fragestellungen und Herausforderungen in der Standesarbeit zu finden.
So setzten sich rund 95 Teilnehmer:innen in fünf Arbeitsgruppen intensiv mit ihren Vorstellungen und Ideen für ein optimales Gelingen der dritten Staatsgewalt auseinander. Beeindruckend war, wie schon bei den letzten Veranstaltungen, das sehr hohe Engagement, mit dem sich die Richter: innen, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie Richteramtsanwärter:innen in den Arbeitsgruppen den jeweiligen Themenstellungen intensiv widmeten. Dafür gebührt allen teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen großer Dank!
Die Arbeitsgruppen hatten die Aufgabe, zu fünf wichtigen Zukunftsthemen für die Justiz Ziele und Verbesserungs- bzw Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die vorgegebenen Inhalte der einzelnen Arbeitsgruppen stellten dabei eine Auswahl an besonders wichtigen Themen dar, die die Justiz in den nächsten Jahren beschäftigen werden. Jede Arbeitsgruppe hatte dabei, so die Vorgabe der Seminarleitung, den Auftrag, zu den jeweiligen Themenkomplexen den Istzustand (positiv oder negativ) zu beschreiben, Zielvorstellungen nach Prioritäten) für die nächsten Jahre zu definieren und schließlich Mittel und Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele vorzuschlagen.
Hier lesen Sie, gleichsam als „Teaser“, eine kurze Zusammenfassung spannender, in den einzelnen Arbeitsgruppen diskutierter Aspekte. Die Detailberichte der jeweiligen Arbeitsgruppen zu den – hier nur grob umrissenen – Themenbereichen samt den jeweils erarbeiteten Vorschlägen zur Zielerreichung finden Sie in den nächsten Ausgaben der Richterzeitung.
Arbeitsgruppe 1 (geleitet von Elisabeth Brunner, Peter Egger und Barbara Weiss) beschäftigte sich mit dem Thema „Verwaltungsgerichtsbarkeit – ordentliche Gerichtsbarkeit: Wege, Ziele und Gemeinsamkeiten“. Intensiv diskutiert wurde unter anderem die Frage, wie die Wahrnehmung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Teil der dritten Staatsgewalt, sowohl innerhalb der Richter:innenschaft als auch nach Außen in der Bevölkerung, weiter verbessert werden kann, und unter welchen Voraussetzungen eine Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Bereichen der Gerichtsbarkeit geschaffen werden könnte. Weitere Themen waren eine mögliche gemeinsame Ausbildung, eine attraktive und transparente Anrechnung
von Vordienstzeiten sowie ein fachlicher interdisziplinärer Austausch. Im Bereich des Gehalts- und Dienstrechts wurde über die Ausgestaltung der, gerade bei den Landesverwaltungsgerichten in den Bundesländern teils sehr unterschiedlichen, Entlohnung diskutiert, und damit in Zusammenhang stehend die Frage der Pensionsregelungen im Bereich der Verwaltungsgerichte und der Justiz erörtert. Dass für Teile der Richter:innenschaft, nämlich für die Kollegen sowie Kolleginnen des Bundesfinanzgerichtes, das Finanzministerium zuständiges Ressort ist, sorgte ebenfalls für reichlich Diskussionsstoff. Ferner wurden Fragen der Krankenversicherung und der (in Teilen der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorhandenen) Möglichkeit eines Sabbaticals sowie die teils unterschiedlich ausgestalteten Mitwirkungsrechte der Standesvertretungen erörtert.
Die von Ute Reisinger und Gabriele Nemeskeri geleitete Arbeitsgruppe 2 setzte sich mit dem hochaktuellen und polarisierenden Thema der fortschreitenden Digitalisierung des Arbeitsumfeldes auseinander. Diskutiert wurde etwa, wie Vorteile der Digitalisierung genutzt, gleichzeitig aber die richterliche Unabhängigkeit uneingeschränkt gewahrt werden können. Kritisch hinterfragt wurde der Umstand, dass eine rein digitale Arbeitswelt dazu führt, dass Arbeits- und Privatleben zunehmend verschwimmen, und in diesem Zusammenhang erörtert, wie eine ausgewogene Work-Life-Balance und damit die Gesundheit der Kolleginnen sowie Kollegen langfristig sichergestellt werden kann. Diskutiert wurde auch, inwieweit zusätzliche Pausen zur Hintanhaltung gesundheitsschädlicher Auswirkungen erforderlich sind und auch in der PAR berücksichtigt werden müssen. Kritisch
beleuchtet wurde, dass eine gesteigerte Digitalität am Arbeitsplatz zu einer Erwartungshaltung der Dienstgeber:innen führen kann, dass Mitarbeiter:innen auch in ihrer Freizeit arbeiten und rund um die Uhr erreichbar sind. Thema waren ferner Fragen der IT-Ausstattung und Betreuung durch IT-Experten. Insbesondere das Thema „Metadaten“ und damit in Zusammenhang stehende Fragen der technischen Möglichkeit der Überwachung der Arbeitsweise von Kollegen sowie Kolleginnen sorgten für reichlich Diskussionsstoff.
Arbeitsgruppe 3, geleitet von Sarah Ritzmaier und Jakob Wagner-Moschik stellte sich die spannende und nicht weniger aktuelle Frage „Wie divers muss sich die Gerichtsbarkeit zusammensetzen?“. Erläuterung fanden dabei verschiedenste Gesichtspunkte der Diversität wie beispielsweise Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund, sexuelle Orientierung und finanzielle Absicherung. Wie es der Justiz gelingen kann, divers zu sein und dadurch einen Querschnitt der Bevölkerung abzubilden, Hürden abzubauen und das Vertrauen zu erhöhen, wurde intensiv diskutiert. Etwa wurde unter dem Aspekt der Diversität
auch die Frage aufgeworfen, dass finanzielle Verhältnisse im Übernahmeverfahren bei längerer RP-Zeit durchaus eine Rolle spielen können.
Arbeitsgruppe 4 unter Leitung von Mia Wittmann-Tiwald und Yvonne Summer setzte sich mit dem Thema „Justizverwaltung – Rechtsprechung: Wechselseitiges Vertrauen und Verständnis stärken“ auseinander. Erörtert wurde, wie ein Verständnis für die Aufgaben der Justizverwaltung bereits in der RiAAZeit verbessert werden kann, und Wertschätzung sowie Motivation gegenüber der Gerichtsbarkeit durch die Justizverwaltung gezielter transportiert werden können. Besprochen wurde, wie strukturelle Voraussetzungen für eine möglichst klare Kommunikation verbessert werden könnten. Die Wichtigkeit eines optimalen Flusses von Informationen der Justizverwaltung an die Richter:innenschaft und ein verstärkter Austausch mit der Justizverwaltung wurden diskutiert, ebenso die Frage, wie bei den Kolleginnen sowie Kollegen ein Interesse an einer Tätigkeit in der Justizverwaltung erhöht werden kann. Weitere Diskussionspunkte der Arbeitsgruppe betrafen die Aufgaben des Personal- und Außensenats, den Ablauf von Bewerbungsverfahren, Dienstbeschreibungen sowie Fragen der Dienstaufsicht.
Arbeitsgruppe 5 mit dem Titel „Fit in den letzten Dienstjahren“ wurde von Daphne Franz, Harald Palzer und Wilhelm Waldner geleitet und beschäftigte sich schon ganz grundlegend mit der Frage, welche verschiedenen Aspekte berufliche und private Fitness mitumfasst, und wie eine solche von Anfang an, somit bereits mit der Ernennung zum:zur Richter:in bis zum Abschluss der beruflichen Laufbahn gestärkt und aufrecht erhalten werden kann. Diskutiert wurde auch, inwiefern es der Schaffung weiterer Planstellen bedarf, um ein gesundheitsschädliches, ständiges Arbeiten an der Leistungsgrenze hintanzuhalten. Ob das derzeitige Modell der Altersteilzeit verbessert werden kann, wurde ebenfalls besprochen. Spannend war, wie aktive betriebliche Gesundheitsförderung bereits an einigen Dienstellen gelebt wird. Schließlich wurde auch erörtert, inwieweit der Ausdruck von Wertschätzung zur Gesundheit in den letzten Dienstjahren wesentlich beitragen kann.
Abschließend ist Seminarleiter Gernot Kanduth und all jenen, die mit der Organisation befasst waren, großer Dank und höchste Anerkennung für die perfekte Planung dieser wirklich sehr gelungenen Veranstaltung auszusprechen. Vielen Dank!
Peter W. Egger RZ 2023 | Österreichische Richterzeitung